Freitag, 22. Januar 2010

Der Wolpertingerphysiologe

"Ich bin Geschichtsprofessor, Gnädige Frau." "Dann erzählen Sie doch mal eine!"

Vor etwa einer Woche erschien auf der Gähnachse ein Beitrag von Dr. (So viel Zeit muss sein!) Clemens Heni, Ein Nazi und sein Schüler: Karl Bosl und Wolfgang Benz. Dass er einschlug, wie ein nasser Feuerwerkskörper, der Beitrag, muss daran liegen, dass Heni zu lesen ungefähr so spannend ist, wie Gras beim Wachsen zuzuschauen, denn wissenswert war der Kern seiner Information allemal.

Um meinen Lesern die akute Kiefernsperre zu ersparen, die mich beim Lesen des Henischen Textes befiel, hier das Ergebnis in aller Kürze vorab: Der Doktorvater des Antisemitismus- und Vorurteilsforschers Wolfgang Benz, Karl Bosl, war ein Nazi. Und zwar ein "richtiger" Nazi, nicht nur ein opportunistisches Arschloch, das, um seinen Lehrstuhl zu behalten, zwischendurch mal was von Blut und Boden gesabbelt hat. Karl Bosl trat 1933 in die NSDAP und in die SA ein und wurde Mitglied im Nationalsozialistischen Lehrerbund (NSLB). 1938 bewarb sich für das Projekt des SS-"Ahnenerbes" mit dem Thema "Wald und Baum in der arisch-germanischen Geistes- und Kulturgeschichte" und wurde angenommen. Vom SD hatte der Bewerber Bosl den Genusstauglichkeitsstempel "(bes. geeignet:+ / Parteigen.:+ / W’ansch.:+ / Bemerk.: einsatzfähig wiss. Nachwuchs)" vepasst bekommen. Im Frühjahr 1945 nahm er noch an einer Historikertagung in Braunau am Inn (und ja, im Geburtshaus des geliebten Führers) teil. Und das Schlimmste: Er log nach dem Krieg darüber wie gedruckt, während er noch 1964 im rechtsextremen Witikobund publizierte. Alles samt Nachweisen bei Heni nachzulesen.

Heni stellt zutreffend fest:

Kaum ein Wissenschaftler oder Journalist hat sich offenbar je gefragt, wo Wolfgang Benz wissenschaftlich groß geworden ist. Wo hat der Mann promoviert und bei wem? Wer selbst promoviert hat oder mit Freunden und Kollegen darüber spricht, weiß: Es ist ein sehr bewusster Prozess, bei wem man schließlich seine Doktorarbeit schreibt.
Und weiter:
Wussten die beteiligten Akademiker bei der Einstellung von Benz als Leiter des ZfA im Jahr 1990 von der Tatsache, dass Benz nur kurz zuvor in einer Festschrift für seinen Nazi-Doktorvater Bosl mit einem Beitrag vertreten war?

Benz ist bekannt für seine häufigen Kommentare und Einlassungen in Printmedien sowie in Film, Funk, und Fernsehen, und er versucht stets den Eindruck zu vermitteln, dass ihm die Auseinandersetzung mit dem Nationalsozialismus und seinen Verbrechen in jeder (!) Hinsicht ein wirklich ernstes Anliegen ist. Doch wie es aussieht, hatte er zur wissenschaftlichen und politischen Herkunft seines Doktorvaters über inzwischen mehr als 40 Jahre hinweg nichts zu sagen.

schnipp

Mit der gleichen Selbstverständlichkeit, mit der Benz 1988 für Bosls Festband schrieb, würdigt er seitdem auch Überlebende der Shoah.
Sic!

Dann in einer Fußnote:
„Wolfgang Benz wurde am 9. Juni 1941 in Ellwangen geboren. Der Vater war Arzt und als Katholik Gegner der Nationalsozialisten. Er wuchs in Aalen auf und machte am Schubart Gymnasium das Abitur. Danach studierte er Geschichte, Politologie und Kunstgeschichte in Frankfurt/Main, Kiel sowie München und schrieb nebenher für die Ellwanger ‚Ipf- und Jagstzeitung’. 1968 folgte die Promotion in München bei Karl Bosl mit einer Analyse über Süddeutschland in der Weimarer Zeit.“ ... Die Formulierung „als Katholik Gegner der Nationalsozialisten“ ist abwegig, da damit doch suggeriert wird, Katholiken seien häufig, oft oder gar per se „Gegner der Nationalsozialisten“ gewesen. Dieser Ankündigungstext scheint zudem einfach aus dem bekannten Munzinger-Archiv herauskopiert worden zu sein.
Und während der Text aus "Munzinger" tatsächlich mega-peinlich ist, anscheinend hat der Antisemitismusforscher irgendwann einmal seine Biographie seinem Forschungsgebiet angepasst, geht hier Henis kleine schwarze antideutsche Seele mit ihm durch.


Nein Herr Dr. Heni: Es gibt keine (KEINE!) Gruppe, weder in Deutschland noch sonstwo, die per se "Gegner der Nationalsozialisten" gewesen wäre, aber WENN es eine gab, deren Mitglieder häufig, und vielleicht sogar oft, "Gegner der Nationalsozialisten" waren, dann war es die der Katholiken. Und es gilt auch für Antideutsche und besonders für antideutsche Akademiker, dass eine Ideologie, auch wenn sie eine ist, die auf der "richtigen" Seite steht, nicht der Wahrheitsfindung entgegenstehen sollte. Vielleicht sollten Sie mal etwas innere Vorurteilsforschung betreiben, Herr Dr. Heni!

Doch zurück zu Benz. Im Sommer 2009 schrieben wir über den Fall des Harvard-Professors "Skip" Gates:
Ein Professor für "Afroamerikanische Studien" ist etwa so etwas wie ein Professor für Wolpertingerphysiologie, das heißt, man kann schreiben was man will (auf Amerikanisch heißt das: "to make up one's shit as one goes along"), streicht ein sechsstelliges Gehalt ein und einen Mount Everest an Prestige dazu. Wolpertingerphysiologen Akademiker wie Gates haben daher, irgendwie verständlicherweise, ein enormes Interesse daran, die Rassen-Paranoia am Leben zu erhalten.
Abgesehen vom Gehalt, das in Deutschland deutlich niedriger ist, kann man das alles 1:1 auf Wolfgang Benz übertragen. Auch er kann schreiben, was er will ("make up his shit as he goes along"), da er den Gegenstand seiner wissenschaftlichen Arbeit - Vorurteile - selber definiert, auch er streicht einen Mount Everest an Prestige ein und hat daher ein enormes Interesse daran, die Vorurteils-Paranoia am Leben zu erhalten.

So ist Wolfgang Benz zahllose Male seine intellektuelle Unredlichkeit vorgehalten worden, zahllose Male wurde ihm wie einem minderbegabten Kind erklärt, was der Unterschied zwischen Vorurteil und Ressentiment, zwischen Islamkritik und Antisemitismus ist - ohne Erfolg, er hat sich wohl noch nicht genug blamiert. Dass es zwischen Fremdenfeindlichkeit und Antisemitismus zwar Gemeinsamkeiten, aber keine Gleichheit, gibt, hätte der "Vorurteilsforscher" nicht erst durch Broder, Eussner, Liza, Küntzel oder Weinthal (um nur einige zu nennen) erfahren können, sondern bereits durch die Rezeption der älteren Literatur zu diesem Thema, z.B. der Klassiker von Adorno et. al., zuerst 1944 erschienen, "Der autoritäre Charakter. Studien über Autorität und Vorurteil" erfahren können. Sollte es wirklich so sein, dass diese Literatur im ZfA unbekannt ist?

Es scheint so. Erst neulich in der Süddeutschen sagt Benz:
In Internet-Foren, in denen Islamfeindschaft besonders schamlos verhandelt wird [in Internet-Foren wird ALLES besonders schamlos verhandelt], wurde vor kurzem der Mord an der Ägypterin im Dresdner Gerichtssaal freudig kommentiert. Die Tat sei zu verurteilen, schrieb einer [Oh wow, So viele?], "allerdings gibt es jetzt eine islamische Gebärmaschine weniger".

Ein anderer [NOCH einer? Doppelwow!] meinte, im Koran werde "in über 60 Suren zum Mord an Andersgläubigen und Ungläubigen, speziell an Juden und Christen" aufgerufen. Diese Überzeugung wird er gegen alle Hinweise über den wirklichen Inhalt des Korans so energisch verteidigen, wie der Antisemit vom Glauben an den schlimmen Inhalt des Talmud, an jüdische Ritualmorde und andere Wahnphantasien nicht ablässt.
Ja haben denn SIE denn den Koran gelesen, Herr Benz? Was sind denn diese "Hinweise"? Sind Sie jetzt auch Orientalist?

An dieser Stelle sollte man einige Fragen stellen, die Heni - sie hätten auch den Umfang eines Blogeintrags gesprengt - nicht gestellt hat.

Nein, Wolfgang Benz ist nicht Orientalist. Ist er denn wirklich "Antisemitismusforscher"? Warum hat jemand, der bei einem der führenden Köpfe der Landesgeschichte promoviert und eine landesgeschichtliche Doktorarbeit abgeliefert hat, derart krass den Fokus seiner wissenschaftlichen Arbeit gewechselt?

Eine Habilitation fand nicht statt. In der Wissenschaftlergeneration, der Benz angehört, war das eine Ausnahme. Auch eine kumulative Habilitation durch Vorlage einer ausreichenden Zahl von Veröffentlichungen fand nicht statt.

Was ist mit seinen Veröffentlichungen? Während die Webseiten anderer Hochschullehrer Publikationsverzeichnisse enthalten, die den Standards wissenschaftlicher Bibliographie entsprechen, sieht die von Professor Benz aus, wie die Wunschliste eines Kindes, das einen etwas frühreifen Geschmack hat, nur der Preis fehlt noch. Und in der Tat sind die veröffentlichten Monographien (bei denen - notabene! - seine Dissertation fehlt) dünn in jeder Beziehung, populärwissenschaftlich, ohne wissenschaftlichen Anmerkungsapparat, für den Schulunterricht, Broschüren. Außerdem wird bis zum Erbrechen die Frühgeschichte der Bundesrepublik wiedergekäut. Man muss sich nur einmal die Mühe machen, das auf der Webseite der Deutschen Nationalbibliothek oder bei Amazon nachzuprüfen.
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Potsdam 1945.
Besatzungsherrschaft und Neuaufbau im Vier-Zonen-Deutschland
von Wolfgang Benz (Broschiert - 1. Januar 1986)
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Die anderen Veröffentlichungen hat er entweder als Herausgeber oder als Mitherausgeber betreut.

Ein Tip, Herr Professor: In ein wissenschaftliches Schriftenverzeichnis gehören Erscheinungsort und -jahr und nicht der Verlag. Und siehe da, im Publikationsverzeichnis des Co-ZfA-Leiters Prof. Dr. Werner Bergmann sind diese Regeln, wenn auch schlampig, eingehalten worden.

Wenn die Veröffentlichungen nichts hergeben, gibt es denn ein anderes Indiz, das das Expertenwissen des Professors beschreibt?

Ja, das gibt es. Während der Wilkomirski-Affäre hat Professor Dr. Wolfgang Benz die Erinnerungen des Schwindlers für aussagekräftiger als das Tagebuch der Anne Frank erklärt und in typisch deutscher Vergesslichkeit äußert er nur wenig später:
Anne Franks und Victor Klemperers Tagebücher, die Titel der anschwellenden Erinnerungsliteratur, auch die Erregung um Daniel Goldhagens Buch (1996) und um Martin Walsers Rede (1998) bis hin zum Elaborat des "Benjamin Wilkomirski" stehen dafür [i.e. eine Rezeption des Holocaust auf breiter Basis]. Dass beim Nachzeichnen dieser Entwicklung bis zur Eloquenz der heutigen Gedenkprofessionellen und den Auswüchsen des Betroffenheitsgeschäfts so wichtige Ereignisse der Geschichtskultur wie Claude Lanzmanns "Shoa" oder Ebbo Demants Lagerstraße von Auschwitz und Jurek Beckers "Jakob der Lügner" Bestand haben, ist tröstlich.

War es nur die Angst vor Pathos und Kitsch, die so lange von der Beschäftigung mit dem Völkermord abhielt, die Bert Brecht zum Ausruf zwang: "Was für ein schrecklicher Kitsch", nachdem er sich den Film "Ehe im Schatten" hatte vorführen lassen? Wahrscheinlich nicht, denn seit Quoten zu machen sind mit diesen Stilmitteln selbst beim Thema Auschwitz, hat sich die Szene verändert.
So hatte dann auch der Wilkomirski sein Gutes, und der Tatsache, dass heute mit dem Holocaust Quoten zu machen sind, haben wir ein grenzgruseliges Phänomen wie Prof. Dr. Wolfgang Benz zu verdanken, der den Orientalisten Dr. Hans-Peter Raddatz als "selbsternannten Islamwissenschaftler" beleidigen darf, weil er es wagt, eine akademisch fundierte und gut begründete andere Meinung als der (von wem auch immer ernannte) "Vorurteilsforscher" zu haben. Und weil es sich bei der Eloge auf Wilkomirski nicht um einen ehrlichen Irrtum, sondern um das Pawlowsche Sabbern eines Berufsbetroffenen gehandelt hatte, fiel er, zusammen mit anderen, auch gleich noch auf Rebecca K. 'rein, der Neonazis kein Hakenkreuz in die Hüfte geritzt hatten und die den Zivilcouragepreis trotzdem bekam. Das kommt davon, wenn man einen "renommierte(n) Antisemitismus-Forscher" zum Gärtner macht.

Was lehrt uns das? Das lehrt uns, dass man für das ZfA, eine dieser Wohlfühl-Institutionen, die die Deutschen sich zwecks schmerzfreier Vergangenheitsbewältigung gönnen, einen Historiker brauchte, IRGENDEINEN Historiker, der skrupellos genug war, geschichtsrelativierenden, unverbindlichen Dreck als Wissenschaft zu verkaufen, dem die Habilitation geschenkt wurde und der sich nicht einmal an die einfachsten formalen Regeln der wissenschaftlichen Arbeit halten muss.

Es ist alles da, was wir schon so oft gesehen haben, die große symbolische Geste, die Antisemitismus ablehnt, aber zynisch genug ist, Islamkritik und Antisemitismus auf eine Stufe zu stellen, eine Haltung, die über relativierende und rationalisierende Platitüden hinaus keine Ursachenforschung betreibt, da haben wir eichhörnchenfleißiges, positivistisches Sammeln von "Fakten", die dann - irgendwie - interpretiert werden, denn man betreibt ja nicht wirklich Antisemitismusforschung, sondern - Wolpertingerphysiologie.




Zum Großmufti von Jerusalem, einer der unappetitlichsten Gestalten der Weltgeschichte, finden sich Informationen in diesem Blog, und zwar hier.

Dr. Gudrun Eussner über das ZfA:
Das Zentrum für Antisemitismusforschung hat mit Forschung soviel zu tun wie Kuhfladen mit Spinat. Muuuh! Dr. Euter - oder so ähnlich. Deutschland unter alliierter Besatzungsherrschaft. Die Entstehung der BRD und DDR 1945-1949. Vorlesung. Prof. Dr. Wolfgang Benz
http://zfa.kgw.tu-berlin.de/kvv/ws09.pdf
Entstehung "BRD und DDR". 86 000 Angebote bei Google.de
http://tinyurl.com/yfaxnmy
ZfA in meinem Archiv
http://tinyurl.com/kme83g
Da die Webseite von Gudrun Eussner nicht mehr online ist, hier die Erwähnungen zu Wolfgang Benz in ihrem Blog.